| Die Tage werden kürzer und die Schatten werden länger. | 
| Vor der Boutique friert im Kübel ein vergess‘ner kleiner Baum. | 
| Im Kurhaussaal rücken sie die Tische enger | 
| Und heizen manchmal schon den vord‘ren Raum. | 
| Der heißumkämpfte Tisch, den nur die Halbgötter bekamen, | 
| Ist nicht mehr heißumkämpft und plötzlich frei. | 
| Und dein Gesicht hat endlich für den Kellner einen Namen, | 
| Du bist auf einmal wichtig und nicht nur Tisch Nummer drei! | 
| Die Speisekarte wird mit jedem Tag ein bißchen kleiner, | 
| Dafür mit jedem Tag ein bißchen größer die Portion: | 
| Es muß jetzt alles weg und wenn du es nicht ißt, ißt‘s keiner — | 
| Ich liebe das Ende der Saison! | 
| An den verwaisten Fahnenmasten klopfen lose Leinen | 
| Und irgendwo dort drüben schlägt ein Gartentor im Wind. | 
| Wie all diese Geräusche deutlicher und lauter scheinen, | 
| Wenn erst die lauten Stimmen der Saison verklungen sind! | 
| Wenn sich jetzt zwei begegnen, ist das fast eine Verschwörung, | 
| Und Wildfremde erzähl‘n dir ihren ganzen Lebenslauf | 
| Im Flüsterton, denn Sprechen wäre jetzt schon eine Störung. | 
| Jetzt hat nur noch die Post und morgens der Schuhladen auf. | 
| Einen Sommer lang bist du um ein Paar herumgestrichen: | 
| Unverschämt teuer, doch gefallen würde es dir schon, | 
| Seit gestern abend ist das alte Preisschild durchgestrichen: | 
| Ich liebe das Ende der Saison! | 
| In der Strandgalerie hängt nur ein Bild, drauf steht: «Geschlossen» | 
| Der Kiosk und das Eiscafé machen nach und nach dicht. | 
| In Spinnweben über den verwitterten Fenstersprossen | 
| Zittern glitzernde Tautropfen im späten Sonnenlicht. | 
| Wenn jetzt die Sonne scheint, dann ist das nicht mehr selbstverständlich, | 
| Und du nimmst jeden Strahl einzeln und dankbar hin. | 
| Nichts ist mehr so wie‘s war, und du kannst spür‘n: Alles ist endlich. | 
| Auch wenn du‘s nicht verstehst, ahnst du doch: Es hat seinen Sinn. | 
| Du brauchst nicht mehr über die Gehsteigzuparker zu meckern: | 
| Die Autoschickimickis sind schon längst auf und davon | 
| Mit ihr‘n Pelzdamen, deren Hunde die Wege vollkleckern — | 
| Ich liebe das Ende der Saison. | 
| Vorm Dorfkrug stehen ratlos ein paar Kästen leere Flaschen. | 
| Im Schaukasten gilbt ein Menü aus längst vergang‘ner Zeit. | 
| Der Regen hat die Kreide von den Schrifttafeln gewaschen, | 
| Wer jetzt noch hierher kommt, der weiß ja sowieso Bescheid. | 
| Wer jetzt noch hierher kommt, der hat gelernt, sich zu bescheiden, | 
| Und wenn er wieder geht, wird er ein Stückchen weiser sein: | 
| Du brauchst im Leben wirklich nur, um keine Not zu leiden, | 
| Einen Freund, ein Stück Brot, ein Töpfchen Schmalz und ein Glas Wein! | 
| Und all das gibt es hier noch allemal an allen Tagen, | 
| Und wenn du klug bist, werden Leib und Seele satt davon. | 
| «Und übrigens, die Runde geht auf mich!» | 
| hör‘ ich mich sagen. | 
| Ich liebe das Ende der Saison! | 
| Und denk‘ dabei, ich stünde gern in fernen Tagen | 
| Am Fenster einer kleinen, langsam schließenden Pension, | 
| Und sähe auf die Wege meines Lebens und könnt‘ sagen: | 
| Ich liebe das Ende der Saison! |