| Larissa steht am Mikrofon im Scheinwerferlicht | 
| Ein grell überschminktes Kindergesicht | 
| Ein Outfit wie zu einer Traumschiffeinweihung | 
| Ein Mix aus Straßenstrich und Oscarverleihung | 
| Larissa singt wie alle Mädchen, die 16 sind | 
| Nicht besser, nicht schlechter, und wenn sie heut gewinnt | 
| Ist sie schon fast ein Star und eine Woche weiter | 
| Und eine Sprosse höher auf der Quotenleiter | 
| Dafür gibt sie alles, dafür macht sie sich halb nackt | 
| Dafür räkelt sie sich rührend unbeholfen im Takt | 
| Und ist doch näher dran an Diddl-Maus und Hello Kitty | 
| Als an Madonna und Sex and the City | 
| Larissa muß vor drei Juroren bestehn | 
| Wie drei Affen, die nichts hören, die nichts sagen und nichts sehn | 
| Die sie messen, schikanieren und kritisieren | 
| Die sie feixend verletzen, die selektieren | 
| Und manches Aufdiefolterspannen, mancher Hohn | 
| Hat schon irgendwas von einer Scheinexekution | 
| Deutschland macht sich lustig, Deutschland zappt sich schlapp | 
| Deutschland jubelt hoch und Deutschland kanzelt ab | 
| Deutschland spielt die Richter des Kindergerichts | 
| Deutschland will nur spielen, Deutschland tut doch nichts | 
| Larissa steht am Mikrofon im Scheinwerferlicht | 
| Sie wartet fiebernd auf das Telefongericht | 
| Der dritte Platz, hey, Glückwunsch, Larissa! | 
| Aber die drei Hütchenspieler wissen es besser | 
| Sie schicken Pferdchen in ein Rennen, das dann | 
| Außer ihnen selbst, niemand gewinnen kann | 
| Die Leute auf den Bänken trampeln und johlen | 
| Das nächste Mal wird sie den ersten Platz holen! | 
| Es ist wie damals beim Wurstschnappen beim Kinderfest | 
| Nur diesmal geht es um die Wurst, und diesmal läßt | 
| Sie sich die Chance nicht aus den Händen reißen | 
| Diesmal ist sie entschlossen, sich festzubeißen | 
| Dafür läßt sie alle Sprüche über sich ergehn | 
| Erträgt die Demütigungen, nur um hier oben zu stehn | 
| Im Studio vor der menschlichen Klatschkulisse | 
| Die sich Häme wünscht, Lästern, Spott und Verrisse | 
| Und draußen wartet die Flachbildschirm-Nation | 
| Auf den Geldgewinn aus der Telefonaktion | 
| Deutschland macht sich lustig, Deutschland zappt sich schlapp | 
| Deutschland jubelt hoch und Deutschland kanzelt ab | 
| Deutschland spielt die Richter des Kindergerichts | 
| Deutschland will nur spielen, Deutschland tut doch nichts | 
| Larissa steht am Mikrofon im Scheinwerferlicht | 
| Doch irgendwie trifft sie den Ton heute nicht | 
| Die ersten kichern, die ersten pfeifen | 
| Sie versucht die Schmähungen noch abzustreifen | 
| Sie steckt wie ein Boxer lächelnd die Schläge ein | 
| Und spielt eisern vor, nicht getroffen zu sein | 
| Heut rufen sie nicht an, heut lassen sie sie fallen | 
| Gottverlassen, entblößt, abgestürzt vor allen | 
| Eine Eislaufprinzessin, die Tränen vergießt | 
| Auf der Tränenbank und ihr Make-up zerfließt | 
| Was war sie für ein witziges, strahlendes Mädchen | 
| In der Schülerband in ihrem Uckermarkstädtchen! | 
| Sie war der Superstar, beneidet und hofiert | 
| Und heut Abend demoliert und aussortiert | 
| Eine Verliererin, eine Welt bricht zusammen — | 
| Eine Kinderseele, übersäht von Schrammen | 
| Und mit dem nächsten Werbeblock endet hier | 
| Larissas Traum — und ihre Zukunft liegt hinter ihr | 
| Deutschland macht sich lustig, Deutschland zappt sich schlapp | 
| Deutschland jubelt hoch und Deutschland kanzelt ab | 
| Deutschland spielt die Richter des Kindergerichts | 
| Deutschland will nur spielen, Deutschland tut sonst nichts |