| Ein Wahlplakat zerrissen auf dem nassen Rasen | 
| Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen | 
| Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen | 
| Die Dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen | 
| Und ich denk' mir, jeder Schritt zu dem verheiß'nen Glück | 
| Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück | 
| Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen | 
| Sie nennen es das Volk, aber sie meinen: «Untertanen» | 
| All das Leimen, das Schleimen ist nicht länger zu ertragen | 
| Wenn du erst lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen | 
| Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: | 
| «Halt du sie dumm, — ich halt' sie arm!» | 
| Sei wachsam | 
| Präg' dir die Worte ein! | 
| Sei wachsam | 
| Fall nicht auf sie rein! | 
| Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt | 
| Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt! | 
| Sei wachsam | 
| Merk' dir die Gesichter gut! | 
| Sei wachsam | 
| Bewahr dir deinen Mut | 
| Sei wachsam | 
| Und sei auf der Hut! | 
| Du machst das Fernsehen an, sie jammern nach guten, alten Werten | 
| Ihre guten, alten Werte sind fast immer die verkehrten | 
| Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln | 
| Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln | 
| Der Medienmogul und der Zeitungszar | 
| Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar! | 
| Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und guten Sitten | 
| Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten | 
| Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote | 
| Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote | 
| Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht | 
| So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht | 
| Es ist ‘ne Riesenkonjunktur für Rattenfänger | 
| Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger | 
| ‘ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher | 
| Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher | 
| Und die sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt | 
| Und nach den schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt | 
| Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber lässt man laufen | 
| Kein Pfeifchen Gras, aber ‘ne ganze Giftgasfabrik kannst du hier kaufen | 
| Verseuch' die Luft, verstrahl' das Land, mach ungestraft den größten Schaden | 
| Nur lass dich nicht erwischen bei Sitzblockaden | 
| Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau’n | 
| Und die Polizei muss immer auf die Falschen drauf hau’n | 
| Wir ha’m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren | 
| Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren? | 
| Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln | 
| Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln | 
| Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich | 
| Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich | 
| «Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!» | 
| «Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!» | 
| «Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!» | 
| «Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen» | 
| Sie zieh’n uns immer tiefer rein, Stück für Stück | 
| Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück! | 
| Ich hab' Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen | 
| Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen | 
| Und verschon' mich mit den falschen Ehrlichen | 
| Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen | 
| Ich hab' Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit | 
| Nach ‘nem bisschen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit | 
| Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu lachen | 
| Sie wer’n dich ruinier’n, exekutier’n und mundtot machen | 
| Erpressen, bestechen, versuchen, dich zu kaufen | 
| Wenn du die Wahrheit sagst, lass draußen den Motor laufen | 
| Dann sag sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt: | 
| «Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd» |