| Manchmal fahre ich aus 'ner alten Gewohnheit | 
| 'Ne Ausfahrt zu spät von der Autobahn raus | 
| Dann nehm' ich den Schleichweg durchs Dorf bis zur Ampel | 
| Dann halt ich genau vor meinem Elternhaus | 
| Da steht es noch immer wie vor hundert Jahr’n | 
| Als wir darin lebten, uneitel und schlicht | 
| Ein bisschen verwittert, ein bisschen verlassen | 
| Das Gartentor offen, im Flurfenster Licht | 
| Die Farbe der Haustür ist abgeblättert | 
| Das Fensterchen darin hat einen Sprung | 
| Der Klingelknopf über dem Namen verrostet | 
| Doch die Glocke klingt wie in der Erinnerung, uh | 
| Meine Mutter macht auf, ihre Hände zittern wie immer ein wenig | 
| Es riecht nach Kaffee und ein bisschen nach Rauch | 
| Obwohl Vater ja angeblich schon lange nicht mehr raucht | 
| Ich seh' ihn im Sessel vor seinem alten Röhrenradio | 
| Die Augen geschlossen und er dirigiert | 
| Seinen Mozart, ich habe ihm rot auf der Skala | 
| Seine Lieblingssender mit Edding markiert | 
| In der Diele hängt dieser Trevira-Mantel | 
| Die steinalte Katze schnurrt leis vor sich hin | 
| Wie seh’n mich die beiden, was werden sie sagen | 
| Jetzt wo ich selbst so grau wie sie geworden bin? | 
| Uh | 
| Auf dem Küchentisch steht das Glas Pulverkaffee | 
| Der Topf mit dem Tauchsieder, vorsintflutlich | 
| Der Kühlschrank beklebt mit Postkarten und Zetteln | 
| Ach, ich könnt' euch was erzählen, sag' ich | 
| Wie wir mit den Kindern die Dahlien gepflanzt haben | 
| In eurem Garten, um sie Jahr für Jahr | 
| Dann mühselig aus der gefrorenen Erde wieder auszugraben | 
| Wenn der Winter da war | 
| Und vorm Haus träumte Fred auf der Schaukel vom Fliegen | 
| Ihr habt sie dort mal nur für ihn aufgestellt | 
| Fred ist groß und ist tatsächlich Flieger geworden | 
| Und fliegt riesen Flugzeuge um die ganze Welt, uh | 
| Tja, so trägt der Dreisatz, den ihr mit ihm übtet | 
| Noch einmal seine späten Früchte, wie gut | 
| Die drei mit euch lesen und schreiben lernten | 
| «Olaf malt Uta und Fu ruft tut» | 
| Wisst ihr noch wie Lulu in eurem Backofen | 
| Ihre Fimo-Tiere ausgehärtet hat? | 
| Und wie sie mit Mutter am Küchentisch malte | 
| Schier unermüdlich, Blatt für Blatt | 
| Nun, Lulu ist heute eine Silberschmiedin | 
| Sie singt, malt und kocht, da fällst Du auf die Knie | 
| Und Mutter sagt: «Junge, hast du getrunken?» | 
| «Aber Mutter», sag' ich, «Das mach ich doch nie!», uh | 
| «Aber Mutter, das mach ich doch nie» | 
| Und Großenkel habt ihr, ja, ganz wunderbare | 
| So freundliche kleine, also ich sag' | 
| Die werdet ihr lieben, die singen und tanzen | 
| Und malen den lieben, langen Tag | 
| Und ich? | 
| Nun, ich mach' immer noch diese Lieder | 
| Ihr wisst ja, das wollte ich immer schon gern | 
| Ob man davon leben kann, was soll ich sagen? | 
| Eh zu spät, dass ich noch was Richtiges lern' | 
| Ich träume noch oft wie als Kind | 
| Ich hole euch mit meinem goldenen Motorboot | 
| Von der Arbeit ab und wir fahr’n nach Paris | 
| Und in der Kajüte macht Mutter das Abendbrot, uh | 
| Vater steht auf, legt die Frankfurter Zeitung | 
| In den Karton für das Altpapier | 
| Den hattet ihr ausgelegt mit Ahornblättern | 
| Für den verletzten Igel, den Max und ihr | 
| Eines Abends am Straßenrand aufgelesen und liebevoll aufgepäppelt habt | 
| Eh ihr ihm im Laubhaufen hinten im Garten | 
| Ein sicheres Quartier und die Freiheit gabt | 
| Und, ja, Max ist gegang’n, Max hat alles geseh’n | 
| Die dunkelsten Nächte und den hellsten Schein | 
| Immer ein bisschen weiter, immer allen voran | 
| Immer auf seinem Weg und ganz allein, uh | 
| Ach, was erzähl' ich euch hier? | 
| Das wisst ihr doch alles längst | 
| Da oben auf eurem Wolkenthron | 
| Hupen und blinken hinter mir, die Ampel ist grün | 
| Ist ja gut, ist ja gut, ist ja gut, ich fahre ja schon, uh |