| Sie war‘n voller Neugier, sie war‘n voller Leben | 
| Die Kinder, und sie waren vierundvierzig an der Zahl | 
| Sie war‘n genau wie ihr, sie war‘n wie alle Kinder eben | 
| Im Haus in Izieu hoch überm Rhonetal | 
| Auf der Flucht vor den Deutschen zusammengetrieben | 
| Und hinter jedem Namen steht bitteres Leid | 
| Alle sind ganz allein auf der Welt geblieben | 
| Aneinandergelehnt in dieser Mörderzeit | 
| Im Jahr vierundvierzig, der Zeit der fleiß‘gen Schergen | 
| Der Spitzel und Häscher zur Menschenjagd bestellt | 
| Hier wird sie keiner finden, hier oben in den Bergen | 
| Die Kinder von Izieu, hier am Ende der Welt | 
| Joseph, der kann malen: Landschaften mit Pferden | 
| Théodore, der den Hühnern und Küh‘n das Futter bringt | 
| Liliane, die so schön schreibt, sie soll einmal Dichterin werden | 
| Der kleine Raoul, der den lieben langen Tag über singt | 
| Und Elie, Sami, Max und Sarah, wie sie alle heißen: | 
| Jedes hat seine Gabe, sein Talent, seinen Part | 
| Jedes ist ein Geschenk, und keines wird man denen entreißen | 
| Die sie hüten und lieben, ein jedes auf seine Art | 
| Doch es schwebt über jedem Spiel längst eine böse Ahnung | 
| Die Angst vor Entdeckung über jedem neuen Tag | 
| Und hinter jedem Lachen klingt schon die dunkle Mahnung | 
| Dass jedes Auto, das kommt, das Verhängnis bringen mag | 
| Am Morgen des Gründonnerstag sind sie gekommen | 
| Soldaten in langen Mänteln und Männer in Zivil | 
| Ein Sonnentag, sie haben alle, alle mitgenommen | 
| Auf Lastwagen gestoßen und sie nannten kein Ziel | 
| Manche fingen in ihrer Verzweiflung an zu singen | 
| Manche haben gebetet, wieder andre blieben stumm | 
| Manche haben geweint und alle, alle gingen | 
| Den gleichen Weg in ihr Martyrium | 
| Die Chronik zeigt genau die Listen der Namen | 
| Die Nummer des Waggons und an welchem Zug er hing | 
| Die Nummer des Transports mit dem sie ins Lager kamen | 
| Die Chronik zeigt, dass keines den Mördern entging | 
| Heute hör‘ ich, wir soll‘n das in die Geschichte einreihen | 
| Und es muss doch auch mal Schluss sein, endlich, nach all den Jahr‘n | 
| Ich rede und ich singe und wenn es sein muss, werd‘ ich schreien | 
| Damit unsre Kinder erfahren, wer sie war‘n: | 
| Der Älteste war siebzehn, der Jüngste grad vier Jahre | 
| Von der Rampe in Birkenau in die Gaskammern geführt | 
| Ich werd‘ sie mein Leben lang sehn und bewahre | 
| Ihre Namen in meiner Seele eingraviert | 
| Sie war‘n voller Neugier, sie war‘n voller Leben | 
| Die Kinder, und sie waren vierundvierzig an der Zahl | 
| Sie war‘n genau wie ihr, sie war‘n wie alle Kinder eben | 
| Im Haus in Izieu hoch überm Rhonetal |