| Lars Jessen, der ist vor siebzehn Jahr’n
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| Mit der «Anne Kathrin» nach Rio gefahr’n —
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| Die «Anne Kathrin» ist nie wiedergekommen
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| Aber es weiß ganz Westerland
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| Wie er sein Ende genommen!
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| Denn sein Bruder Jan ist in jenen Wochen
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| Mit dem Heringslogger in See gestochen
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| Der Fisch zog in grossmächtigen Schar’n
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| Dass die Wasser auf Meilen graugewölkt
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| Von den wandernden Zügen war’n!
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| Und es war ein Tag bei den Borkumer Bänken
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| An den wird Jan Jessen sein Lebtag denken!
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| Sie konnten den richtigen Kurs kaum halten
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| Denn die See ging hoch und der Wind sprang um
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| Dass die Segel in Fetzen knallten!
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| Und auf einmal sah’n sie, Gott soll uns bewahr’n!
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| Piel gegen den Sturm einen Segler fahr’n —
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| Kein Mann an Deck und keiner am Steuer
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| Und oben brannten auf Mast und Rah
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| Fahle, flimmernde Feuer!
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| Und als sie noch starr vor Entsetzen standen
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| Kam: «Schiff ahoi!» |
| über Gischt und Branden
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| Und noch einmal, dicht im Vorüberschießen
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| Eine Stimme, nicht wie aus Menschenmund:
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| «Jan Jessen, ich soll dich grüssen!»
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| Dann war es weg. |
| Wie Luft zerfloßen!
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| Was war das? |
| Seespuk? |
| Teufelspossen?
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| Jan Jessen war still. |
| Er brauchte nicht fragen —
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| Er wusste: Mein Bruder Lars ist tot
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| Und er lässt es mir sagen!
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| Und wie er zu Haus' an Land gestiegen
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| Und will in den Sandweg zum Dorfe biegen
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| Ist Lars Jessens Weib ihm entgegengekommen
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| Und hat ein schwarzes Trauertuch
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| Über die Schultern genommen!
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| Und sie sagte: «Jan, ich hab' ihn geseh’n!
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| Meine Uhr blieb in der Küche steh’n
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| Und als ich hinging, sie anzuticken
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| Da war mir auf einmal so seltsam kalt
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| Als stünd' mir einer im Rücken!
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| Ich sah mich um, er stand auf der Schwelle —
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| Stand zwischen Dunkel und Feuerhelle!
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| Er hat kein einziges Wort gesprochen
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| Und das Wasser floß ihm aus Bart und Haar —
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| Seine Augen war’n gebrochen!
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| Ich stand und hörte die Wassertropfen
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| Tapp, tapp, auf Diele und Schwelle klopfen
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| Und als ich stammelnd das Wort gefunden:
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| «Gott sei deiner Seele gnädig, Mann!»
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| Da war er verschwunden!"
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| Lars Jessen, der ist vor siebzehn Jahr’n
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| Mit der «Anne Kathrin» nach Rio gefahr’n —
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| Die «Anne Kathrin» ist nie wiedergekommen
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| Aber es weiß ganz Westerland
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| Wie er sein Ende genommen! |