Mein Leben ist, wie mein Leben ist
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Mein Leben ist hart
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Mein Leben ist kurz
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Mein Leben ist schön
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Mein Leben ist gut
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Mein Leben ist, wie mein Leben ist
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Mein Leben ist, wie mein Leben ist
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Mein Leben ist Stress
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Mein Leben ist lang
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Mein Leben ist ruhig
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Mein Leben ist Gut
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Mein Leben ist, wie mein Leben ist
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Ich wurde geboren in dieser Stadt an der Weser
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Hunderttausend Seelen hausen auf hundert Quadratkilometern
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Ma und Pa waren hierher gekommen wie Goldgräber nach Colorado
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Voll Erwartungen und Hoffnung für Job und Familyplanung
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Doch ihr erster Stop war in der Bismarckstraße die Blocks
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Doch wen kümmert das, wenn das erste Kind endlich im Bauch anklopft
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Sie haben lange gewartet auf mich, ich hab' lange gewartet aufs Licht
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Ich hab’s irgendwie wohl gewusst, diese Welt ist nur Frust für mich
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Ich war tagelang überfällig, und dann, als ich endlich kam
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Ist meine Mutter fast gestorben im Wahn, als sie mich gebar
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Es gab Komplikationen jeglicher Art
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An jedem Tag seit dem Ersten dank' ich ihr, dass sie die Schmerzen doch auf
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sich nahm
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Statt mich aufzugeben, nahm sie’s in Kauf und schenkte mir Leben
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Seitdem hab' ich diese Frau zu häufig traurig geseh’n
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Und ich weiß, es war wegen mir in den meisten Fällen
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Ich weiß, ich hab' viel zu viel Scheiß gebaut und sie ignoriert in den meisten
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Fällen
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Doch wenn man jung ist, dann meint man, man wäre reif
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Und wenn man reif ist, sieht man es irgendwann ein, wie dem auch sei
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Ich hab' kaum noch Erinnerungen an die grauen Fassaden vom Haus
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Denn sobald ich laufen begann, brauchte ich Platz und wir zogen aus
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In das Reihenhaus Richtung Meissen, raus aus der Tommy Kaserne
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Der Spielplatz war nebenan, doch dahin gehen wollte ich nicht gerne
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Warum? |
Weil ich den Draht zu den ander’n Kindern nicht fand
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Schon in jüngsten Jahren fühlte ich mich wie ein Mutant im Menschengewand
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Ich lief ständig nur vor die Wand voller Unverständnis und Angst
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Weil ich anders war, als die anderen und es damals noch nicht verstand
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Ich hab' häufiger Streit gehabt als «Hallo» gesagt zu den Kids
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Ich hab' Gardinenstangen mitgeschleppt, weil der Rest mich mit Steinen beschmiss
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Ich hab' täglich zwei reingekriegt und drei ausgeteilt
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Mein Wortschatz war so ausgefeilt, dass ich schimpfen und fluchen konnte,
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bevor ich drei war
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Und als ich vier war, ist meine Schwester gekommen
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Paps hat 'nen Job bekommen und der Umzug von Neuem bekommen
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Wir sind raus aus der Stadt, ins Bauernkaff Lahde bei Petershagen
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Zum Haus in der Schillerstraße kam schließlich der Kindergarten dazu
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In der Gruppe gab’s zwei mal schon meinen Namen
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Darum nannten die Tanten mich trotz Protesten «Sebastian»
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Ich hab' rumgesponnen und getan, als wären Sachen da, die es nicht gibt
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Hab erzählt, dass der Sohn von meiner Kinderfrau mein großer Bruder ist
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In Retrospekt denk' ich, eigentlich hatt' ich ja recht
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Hab' in zwei Familien gesteckt, Ma und Pa waren jeden Tag weg
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Meine Ma von 8 bis um 6 und mein Pa von 8 bis um 8
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Haben geschuftet und sich schon fast für die Zukunft der Kids kaputt gemacht
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Und darum quatsch mich nicht voll mit beschissenen Sprüchen wie
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«Curse ist aus einem reichen Haus und wuchs heiter auf und behütet.»
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Schön wär's! |
Ich hab Aldi-Klamotten gehabt
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Zu Victory-Turnschuhen den viel zu großen, vererbten, vergilbten Anorak
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All meine Jungs am C64 und ich zuhaus' mit dem strengsten Ton meiner Ma:
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«Setz' dich gerade hin hier am Esstisch!»
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Doch letzlich ist’s gerad' das, was ich mitgenommen hab' von damals:
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Egal was die anderen tun, ich bin immer ich, niemand anders
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Ich hab damals noch gar nichts gepeilt von dem ganzen Mist
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Ich war nur gedisst, wenn die anderen Colt Seavers schauten und ich durfte nicht
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Dann hab' ich Durst gekriegt auf alles, was in war
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Wollt' 'n Mountainbike fahr’n und Amiga spielen wie die anderen Kinder
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Zum Geburtstag gab es dann das kaputte Rad vom Cousin
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Und zur Weihnacht den ausgemusterten Compi von Texas Instruments
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Doch in Essenz hab ich früher gelernt, wie der Mensch ist
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Was fremd ist wird abgelehnt und für schlecht erklärt, denn man kennt’s nich'
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Letzendlich wär's trotzdem ungerecht, nur das Schlechte zu sehen
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Ich gehör' zu denen, denen es viel besser ging: Geld war nie das Problem
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Es war immer genug am Start, meine Eltern haben’s bloß gespart
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Ich fand’s damals hart, nicht zu kriegen, was man will, doch heut find ich’s
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smart
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Denn obwohl ich die ganze Zeit meine beiden Eltern gehabt hab'
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Obwohl ich nie hungern musste mit Almosen vom Sozialstaat
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Weiß ich genau, wie es ist zu verzichten und abzuwarten
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Ich hab' gelernt, kleine Dinge zu ehren und Danke zu sagen
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Ich hab' gelernt, dass man eigentlich allein ist
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Und andere Menschen dich meistens nur akzeptieren, wenn du angepasst in deinem
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Sein bist
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Und all diese Scheiße weiß ich aus eigenem Sehen
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Seit ich klein bin, hab ich eingeseh’n
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Dass es keinen Sinn macht, angepasst durch mein Life zu gehen
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Hab' eingesehen, dass nur ich es bin, der mich kennt
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Und ihr meint im Ernst, ich geb irgend’nen scheiß auf was einer von euch denkt?
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Das hier ist mein Leben |